Querschnittsversorgung: Prävention und Gesundheitsförderung

Die vierte Säule des Gesundheitswesens stellt die Versorgung mit Präventionsleistungen und Maßnahmen der Gesundheitsförderung dar. Gerade im Gegensatz zu der langen Geschichte medizinischer Kuration ist der Ausbau dieses Versorgungsbereiches trotz einer langen Geschichte der Prävention von Erkrankungen, die bis ins 19. Jahrhundert und in der Intention bis in die Antike zurückreicht, im deutschen Gesundheitswesen jüngeren Charakters. Das hat vor allem mit den Missbrauch der so genannten Sozialhygiene zur Rechtfertigung des Holocaust und von Morden an Menschen mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen während der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland, aber auch ihrer ambivalenten Wendung hin zu biologistisch-sozialdarwinistischen Theorien im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert zu tun (vgl. Labisch/Woelk 2012: 57ff.).

Im Folgenden werden zunächst wichtige theoretische und begriffliche Grundlagen geklärt und die gesundheitspolitische Entwicklung und Bedeutung von Prävention und Gesundheitsförderung in Deutschland bis zum kürzlich verabschiedeten „Präventionsgesetz“ skizziert. Im Folgenden soll anhand dieses Gesetzes die  gesundheitspolitische Umsetzung von Prävention und Gesundheitsförderung in Deutschland dargestellt und im Hinblick auf den angemahnten und gesundheitswissenschaftlich begründeten gesundheitspolitischen Paradigmenwandel diskutiert werden. Inwieweit ist es möglich, auf der nunmehr bundesgesetzlichen Kodifikation von Präventions- und Gesundheitsförderungsstrukturen nicht nur konkrete Gesundheitsziele, sondern auch die im SGB V niedergelegte Maxime, besonders sozial bedingter gesundheitlicher und geschlechterbezogener Ungleichheiten bei der Umsetzung von Präventions- und Gesundheitsförderungspolitik entgegenzuwirken, zu erreichen?