Gesundheitspoltische Umsetzung nach dem Präventionsgesetz

Die präventiven Einrichtungen, also die Leistungsfinanzierer, Regulierer und Leistungserbringer von präventiven und gesundheitsförderlichernMaßnahmen verteilen sich entsprechend dem föderalen und korporatistischen Gesundheitssystem in Deutschland zum einen auf die Bundes-,  Landes- und kommunale Ebene und lassen sich zum anderen in staatliche Einrichtungen/Akteure, öffentlich-rechtliche Körperschaften, freigemeinnützige Träger und Einrichtungen und zunehmend privatwirtschaftliche Akteure unterscheiden. Während die wichtigsten staatlichen Einrichtungen die Ministerien, nachgeordnete Behörden, Gesundheitskonferenzen Schule und insbesondere der öffentliche Gesundheitsdienst sind, lassen sich die wichtigsten öffentlich-rechtlichen Körperschaften nach Kostenträger (Organisationen der Krankenkassen) und Leistungserbringer (Organisationen der Ärzteschaft) unterscheiden. Die freigemeinnützigen Einrichtungen ihre Träger sind neben den üblichen Einrichtung der Kranken-und Pflegeversorgung insbesondere Verbraucherzentralen, Selbsthilfekoordinationsstellen und etwaige Landesvereinigung für Gesundheitsförderung. Alle relevanten Akteure der Primärprävention/Gesundheitsförderung sind in der Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung e.V. (BVPG) organisiert, während Akteure der Sekundär- und Tertiärprävention wegen deren Nähe zur Kuration und Rehabilitation im entsprechenden Organisationen/Vereine der Leistungserbringer und Kostenträger organisiert sind (vgl. Walter/Schwartz 2003: 255; Noweski et al. 2013: 441; Rosenbrock/Gerlinger 2014: 79).

Mit dem „Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention“, (BGBl. I: 1386), welches am 1. Januar 2016 in Kraft getreten ist, wird der Versuch gemacht diese zersplitterte und bunt scheckige Finanzierungs-, Versorgungs- und Regelungstruktur der vierten Säule des deutschen Gesundheitswesens auf eine neue Grundlage zu stellen, um auch der Marginalisierung primärpräventiver und gesundheitsförderlicher Maßnahmen im deutschen Gesundheitssystem entgegen zu wirken. An dieser Stelle geht es weniger darum, zu bewerten, ob dieses Gesetz den oben formulierten Ansprüchen der beiden Gesundheitswissenschaftler (Rosenbrock/Gerlinger 2014) an ein solches Bundesgesetz gerecht wird, sondern mehr um die institutionellen und organisatorischen Regelungen zur zukünftigen Finanzierungs-, Versorgungs- und Regelungsstruktur in diesem Querschnittsbereich.

Im allgemeinen Teil der Begründung des  Entwurfes zum Präventionsgesetz (Bundesregierung 2015; BT-Drucksache 18/4282) stellt die Bundesregierung folgende Defizite der bisherigen gesundheitspolitischen Umsetzung von Prävention und Gesundheitsförderung fest: (i)  die Leistungen der Krankenkassen in diesem Bereich folgen bisher „keine(m) einheitlichen Qualitätsstandard“ (Bundesregierung 2015: 24); (ii) die Leistungen der Krankenkasse erreichen oft nicht diejenigen Versicherten, „die den größten gesundheitlichen Nutzen von den Leistungen zur Prävention hätten“ (25); (iii) die kompetenzrechtlich begründete Zersplitterung der „föderalen Strukturen in der Gesundheitsförderung und Prävention“ bedürfe einer „verbesserten Kooperation und Koordination“ (ebd.) aller Akteure aller betroffenen  Gebietskörperschaften; (iv) die bisherige Früherkennung sei defizitär, da krankheitsorientiert und müsse in Richtung „einer primärpräventionsorientierten Gesundheitsuntersuchungen“ bei Kindern und Erwachsenen weichen; (v) vor allem Kleinunternehmen und mittlere Unternehmen müssten hinsichtlich der betrieblichen Gesundheitsförderung gestärkt werden; (vi) neben der sozialen Bedingtheit gesundheitlicher Ungleichheit müssten auch „geschlechtsspezifische Aspekte bei den Leistungen der Krankenkassen zur gesundheitlichen Versorgung, der Prävention und Gesundheitsförderung“ (ebd.) stärker berücksichtigt werden.  Die umfassende Zielsetzung dieses Präventionsgesetzes lautet folglich:

„Ziel dieses Gesetzes ist es daher, die Gesundheitsförderung und Prävention insbesondere in den Lebenswelten der Bürgerinnen und Bürger zu stärken, die Wirksamkeit und Qualität von Präventionsmaßnahmen sicherzustellen, die Leistungen der Krankenkassen zur Früherkennung von Krankheiten weiterzuentwickeln und das zusammenwirken von betrieblicher Gesundheitsförderung und Arbeitsschutz zu verbessern.“ (Bundesregierung 2015: 25)

Im Gesetzentwurf wird zum einen der Logik gefolgt, die bisherige – oben skizzierte – Entwicklung der gesundheitspolitischen Verankerung von Gesundheitsförderung und Prävention im deutschen Gesundheitswesen fortzuführen, in dem zum einen die präventiven und gesundheitsförderlichen Maßnahmen in den jeweiligen Zweigen der Sozialversicherung gestärkt bzw. erweitert werden. Zum anderen soll die Koordination zwischen den Zweigen der Sozialversicherung und zwischen allen relevanten Kostenträgern von Präventions- und Gesundheitsförderungsmaßnahmen verbessert werden, was aber insbesondere über eine stärkere staatliche bzw. gesetzliche Verpflichtung der Sozialversicherungsträger (insbesondere der GKV) und die Einbindung in national(staatlich)e Strukturen geschehen soll. Im folgenden werden zunächst die Anpassungen bzw. Erweiterungen präventiver und gesundheitsförderlicher Leistungen dargestellt, bevor die  neu errichteten  Strukturen der gesamtgesellschaftlichen Koordination und Kooperation von Trägern der Prävention und Gesundheitsförderung und deren gesundheitspolitischer Umsetzung beschrieben werden.

NEUFASSUNG VON LEISTUNGSRECHTLICHEN GRUNDLAGEN

Im Hinblick auf die Neufassung der leistungsrechtlichen Grundlagen im Fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) sind erhebliche institutionelle und leistungsrechtliche Modifikationen vorgenommen worden. Zunächst ist festzustellen, dass die bisherige „Förderung der Selbsthilfe bzw. von Selbsthilfegruppen und -organisationen“ einerseits und die durch die Krankenkassen finanzierte „Krankheitsprävention durch Impfschutz“ andererseits in der Systematik des SGB V geändert wurde (nunmehr: § 20h u. 20i SGB V). Entsprechend bestimmt § 20 SGB V nunmehr allein die Zielsetzungen und Grundprinzipien der  Finanzierung von Leistungen der Primärpävention und Gesundheitsförderung durch die Krankenkassen, was einer gesundheitspolitischen Bedeutungsaufwertung gleichkommt.  Erstmalig stärker differenziert werden die Leistungen der Krankenkassen zur „verhaltensbezogenen Prävention“ (§ 20 Abs. 5 SGB V),  zur  „Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten“ (§ 20a SGB V) und zur „Gesundheitsförderung in Betrieben“ (§ 20b SGB V). Leistungen der verhaltensbezogenen Prävention müssen eine Präventionsempfehlung  in Form einer  ärztlichen Bescheinigung oder arbeitsmedizinischen Vorsorgeempfehlung berücksichtigen (§ 20 Abs. 5 SGB V).  Dieser leistungsrechtliche Vorbehalt soll sicherstellen, „das Kursangebot gezielt diejenigen Menschen erreichen, die sie benötigen.“ (Bundesregierung 2015: 40) Ein grundsätzlicher Arztvorbehalt zum Angebot von verhaltensbezogenen Präventionsleistungen durch die Krankenkassen ist damit – der spezifischen Gesetzesbegründung zufolge – allerdings nicht verbunden, da der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und abhängig von der Arztempfehlung Regeln zur Zertifizierung  von Leistungsangeboten durch die Krankenkassen in einem komplexen Verfahren festlegt (§ 20 Abs. 2 SGB V; GKV/MDS 2016: 23f.).

Eine weitere Spezifizierung von Präventionsleistungen durch die Krankenkassen betrifft die rechtlichen Anforderungen an Leistungen zur  Prävention und Gesundheitsförderung  in Lebenswelten – also Settings – durch die Krankenkassen (§ 20a SGB V statt früher § 20 SGB V [alte Fassung]).  Diese beinhaltet nicht nur eine – erstmalige – sozialrechtliche Definition des Begriffes Lebenswelt, sondern auch die allgemeine Beauftragung der Krankenkassen zur Organisation und Finanzierung der Primärprävention und Gesundheitsförderung in Lebenswelten und der hierfür erforderlichen Zusammenarbeit mit anderen Organisationen. Die Aufgabe der Krankenkassen besteht darin, unter Berücksichtigung der Rahmenvereinbarung – zwischen verschiedenen Trägern auf Landesebene, siehe auch unten – nach § 20f Abs. 1 (SGB V) „insbesondere den Aufbau und die Stärkung gesundheitsförderlicher Strukturen“ in den Fokus zu nehmen (§ 20a Abs. 2 S. 2 SGB V). Bei Leistungen der Prävention und Gesundheitsförderung in Settings sollen die gesetzlichen Krankenkassen sich mit hierfür zuständigen Trägerorganisationen koordinieren. Während bei Arbeitssuchenden eine Koordiniation mit der Bundesagentur für Arbeit oder äquivalenten kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitssuchende (§ 20a Abs. 1 S. 5 SGB V) erfolgen soll, ist es hinsichtlich Präventions- und Gesundheitsförderungsleistungen für Kinder, Jugendliche und Ältere insbesondere die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die die Aufgaben der Krankenkassenkassen vor allem bei Leistungen für diese Personen- bzw. Zielgruppen unterstützen soll (§ 20a Abs. 3 SGB V).

Darüber hinaus soll die BzgA vom GKV-Spitzenverband mit der „Entwicklung der Art und der Qualität krankenkassenübergreifender Leistungen, deren Implementierung und deren wissenschaftlicher Evaluation“ (§ 20a Abs. 3. S. 1 SGB V) beauftragt werden. Zwecks dieser Aufgabenstellung verpflichten die rechtlichen Bestimmungen des Präventionsgesetzes beide Organisationen, BzgA und GKV-Bund, dazu, eine gemeinsame Vereinbarung über den Inhalt, den Umfang und die Qualität und Wirtschaftlichkeit der relevanten Präventions- und Gesundheitsförderungsleistungen abzuschließen (§20a Abs. 4 SGB V).  Eine solche Vereinbarung wurde im Juni 2016 von beiden Organisationen trotz des Widerstands des GKV-Spitzenverbandes gegen diese gesetzliche Regelung (vgl. den den Argumenten: GKV-Spitzenverband 2015: 26ff.) vereinbart. Aufgrund der unklaren Gesetzesformulierungen hinsichtlich der kompetenzrechtlichen Abgrenzungen zwischen GKV und BzgA und der „gesetzlichen Beauftragung“ der BzgA bei autonomen Tätigkeiten der Sozialversicherung ist derzeit eine Anfechtungsklage zur Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung des SGB V beim Landessozialgericht anhängig. Die GKV sieht sich als „Auftraggeberin“, während die BzgA als „Auftragnehmerin“ betrachtet wird; eine gesetzliche Beauftragung in Höhe von järlich ca. 32 Mio. Euro seitens des Präventionsgesetzes bricht nach Auffassung der GKV deren sozialversicherungsrechtliche Autonomie gegenüber der staatlichen Verwaltung. Die Inhalte der Vereinbarung nach § 20a Abs. 3 u. 4 umfassen vor allem wissenschaftliche Expertisen der Recherche, Qualitätssicherung und Unterstützung von Vernetzungsprozessen (GKV/MDS 2016: 26). Erste Aufträge erfolgten an die BZgA auf dem Feld des „qualitätsgesicherten Ausbau(s) der Prävention und Gesundheitsförderung“ in Lebenswelten sozial benachteiligter Zielgruppen, die eine aktive Rolle der für die Lebenswelt verantwortlichen Stellen in den Ländern und Kommunen erfordert, und der Entwicklung einer verbesserten wissenschaftlichen und qualitätsgesicherten Grundlage von präventiven und gesundheitsförderlichen Interventionen in der Lebenswelt (ebd.: 26f.).

„Lebenswelten im Sinne des § 20 Abs. 4 Nummer 2 sind für die Gesundheit bedeutsame, abgrenzbare soziale Systeme insbesondere des Wohnens, des Lernens, des Studierens, der medizinischen und pflegerischen Versorgung sowie der Freizeitgestaltung einschließlich des Wohnens.“ (§ 20a Abs. 1 Satz 1 SGB V)

Hinsichtlich der gesetzlichen Regelungen der betrieblichen Gesundheitsförderung (bisher: § 20a und 20b SGB V [alte Fassung]) werden auch hier die Krankenkassen nunmehr zur Zusammenarbeit mit relevanten Akteuren auf dieser Ebene (Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit) und – erneut – zum „Aufbau und der Stärkung gesundheitsförderlicher Strukturen“ verpflichtet (§ 20b Abs. 1 SGB V). Hierzu werden zum einen die – bei den Krankenkassen sehr beliebten – individuellen verhaltenpräventiven Maßnahmen der Krankenkassen den gleichen Zertifizierungs- und Bescheinigungsregeln unterworfen, wie Leistungen der Verhaltensprävention außerhalb des Settings Betrieb (§ 20 Abs. 5 SGB V). Zum anderen werden – insbesondere kleinen und mittelgroßen – Unternehmen Beratungs- und Unterstützungsleistungen zur Wahrnehmung von Leistungen der betrieblichen Gesundheitsförderung angeboten. Die hierfür von den Ländesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen zu errichtenden Koordinierungsstellen sollen zudem mittels Kooperationsvereinbarungen mit örtlichen Unternehmensorganisationen (z.B. Industrie- und Handelskammern) eng verzahnt bzw. regional verankert werden (§ 20b Abs. 3 SGB V). Zudem sollen sie in der Konkretierung der Zusammenarbeit mit den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung diesen über Erkenntnisse ihrer koordinierten betrieblichen Gesundheitsförderung nach § 20b SGB V berichten, die auf „Zusammenhänge zwischen Erkrankungen und Arbeitsbedingungen“ (§ 20b Abs. 1 S. 2) verweisen. Zudem werden die Krankenkassen darauf verpflichtet, nicht nur mit den Trägern der Unfallversicherung hinsichtlich der Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren (§ 20c SGB V) zu kooperien, sondern zukünftig auch die „für den Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörden“ in ihre Präventionsstrategie auf diesem Feld einzubeziehen (§ 20c Abs. 2 S. 1 SGB V).

Aus der Perspektive sekundärpräventiver Leistungen (für Erwachsene), die insbesondere die Ärzteschaft durchführt bzw. veranlasst, lassen sich im Präventionsgesetz zwei zentrale Änderungen feststellen. Erstens wird der bisherige Leistungsanspruch an „Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten“ (Vierter Abschnitt, §§ 25ff. SGB V [alte Fassung]) zeitlich vorverlagert, indem nunmehr auch „Leistungen zur Erfassung von gesundheitlichen Risiken“ (Vierter Abschnitt, SGB V [neue Fassung]) hierunter subsumiert werden. Zweitens können die behandelnden Ärzte den Versicherten im Rahmen dieser präventionsorientierten Beratung eine Präventionsempfehlung bescheinigen, die Letztere zur Klärung von Angeboten ihrer Krankenkassen im Sinne einer verhaltensorientierten Präventionsleistung nach § 20 SGB V vorlegen können.  Beide Aspekte – die Vorverlagerung des Leistungsangebots als auch die ärztliche mögliche Präventionsempfehlung  – sind auf die „bevölkerungsmedizinisch bedeutsamen Krankheiten“ (§ 25 Abs. 1 S. 1 SGB V) abgestimmt, die als (bevölkerungsweite) Gesundheitsziele die grundsätzliche Zielrichtung des bundesweiten Präventionsgesetz anzeigen (vgl. § 20 Abs. 2 SGB V u.u.). Zur Umsetzung dieser Zielsetzungen kann der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) eine Richtlinie zur inhaltlichen und organisatorischen Erbrobung der „Ausgestaltung der Gesundheitsuntersuchungen beschließen.“ (§ 25 Abs. 3 SGB V)  Zum 31.07.2018 soll der G-BA darüber hinausgehend eine umfassende Richtlinie über „die Gesundheitsuntersuchungen nach Absatz 1 zur Erfassung und Bewertung gesundheitlicher Risiken und Belastungen“ vorlegen (§ 25 Abs.4 S 5-6 SGB V).

In Bezug auf Kinder und Jugendliche wird ebenfalls die konzeptionelle Orientierung dieser präventiven Untersuchungen in Richtung auf „Gesundheitsuntersuchungen“ geändert (§ 26 SGB V). In analoger Weise zu den Regelungen für über-18-jährige bestimmt dieser Paragraph, dass auch Kindern und Jugendlichen eine ärztliche Präventionsempfehlung bescheinigt werden kann. Diese richtet sich nicht nur die körperliche und geistige Entwicklung (wie bisher), sondern umfasst nun auch den Aspekt der „psycho-soziale(n) Entwicklung“, die gefährdet sein kann. Eine entsprechende „präventionsorientierte Beratung“ für Eltern, das Kind und/oder den Jugendlichen beinhaltet zudem noch Klärungen des Impfstatus und betrifft auch zahnärztliche Leistungen zur Vermeidung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten (§ 26 Abs. 1 SGB V). Von besonderer Bedeutung in diesem Kontext ist die Umformulierung der Regelungen der Bewilligung eines Versichertenbonus bei regelmäßiger Inspruchnahme verhaltenspräventiver bzw. präventivmedizinischer (Impfung) Angebote von einer „Kann-Regelung“ in eine „Soll-Regelung“ (vgl. § 65a Abs. 1 u. 2 [alte Fassung] mit § 65a Abs. 1 u. 2 [neue Fassung]).

Jenseits des Zuständigkeitsbereiches der GKV spielen andere Sozialversicherungsträger, bei denen die Bedeutung von Prävention und Gesundheitsförderung in den letzten 20 Jahren sukzessive ausgeweitet wurde (vgl. Walter 2003; Schwartz et al. 2012; Mosebach/Schwartz/Walter 2014: 396; Rosenbrock/Gerlinger 2014: 95ff.), im Rahmen des Präventionsgesetzes je nach Zuständigkeitsbereich eine analoge Rolle. Erstens finanzieren die Pflegekassen im Rahmen ihres Leistungsauftrags nach § 5 Abs. 1 SGB XI präventive Leistungen. In dem Leitfaden zur Prävention in der stationären (Alten-)Pflege formuliert der Spitzenverband (Bund) der Pflegekassen das übergeordnete Ziel, die gesundheitsförderlichen Potentiale von Pflegeeinrichtungen zu stärken und konkretisiert es in sechs Teilzielen, die einer retrospektiven Evaluation zugänglich sind. Diese Präventionsziele richten sich jeweils auf verschiedene Aspekte des Pflegeprozesses: (i) Ernährung, (ii) körperliche Aktivität, (iii) kognitive Ressourcen, (iv) psychosoziale Gesundheit und (v) Aspekte der Gewaltprävention (vgl. GKV-Spitzenverband 2016a: 13ff.). Die gesetzlichen Regelungen des SGB XI halten die Pflegekassen dazu an, im Jahr 2016 einen Betrag von 0,30€ pro Versicherter/m für diese Leistungen bereitzustellen und in den nachfolgenden Jahren entsprechend anzupassen (§ 5 Abs. 2 SGB XI). Zudem sollen sich die Pflegekassen übergreifend an der Umsetzung der nationalen Präventionsstrategie beteiligen und kooperierende Kostenträger auf relevante Leistungen der Prävention, Krankenbehandlung und medizinischen Rehabilitation hinweisen (§ 5 Abs. 5 u. 6 SGB XI).

Zweitens kommt den Trägern der Gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) wegen ihrer Kompetenzzuweisung im System der sozialen Sicherung in der Bundesrepublik Deutschland bei der Prävention und Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz ein wichtige Bedeutung zu. Die gesetzlichen Grundlagen weisen die Träger der GUV darauf hin, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu vermeiden (§ 14 Abs. 1 SGB VII) und – wie bereits erwähnt – hierbei mit den Trägern der GKV, den Krankenkassen, zusammenzuarbeiten  (§ 14 Abs. 2 SGB VII). Die Träger nehmen gemeinsam an der Entwicklung der deutschen Arbeitsschutzstrategie nach dem Arbeitschutzgesetz teil, das ebenso bei der Entwicklung der nationalen Präventionsstrategie nach § 20d-f SGB V Berücksichtigung findet. Entsprechend sind die Träger der GUV auch zur Mitarbeit im Rahmen der nationalen Präventionskonferenz verpflichtet (§ 14 Abs. 3 SGB VII). Der Bundesverband DGUV e.V. unterstützt dabei die jeweiligen fachspezifisch und föderal organisierten Trägerorganisationen der GUV auf Bundesebene im Hinblick auf (§ 14 Abs. 4 SGB VII).

Die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) schließlich erbringen – drittens – gemäß § 14 Abs. 1 SGB VI medizinische Leistungen zur Sicherung der Erwerbsfähigkeit für Versicherte, „die eine besonders gesundheitsgefährdende, ihre Erwerbstätigkeit ungünstig beeinflussende Beschäftigung ausüben.“ (NPK-BRE 2016: 8) Hierzu wird bis zum Juli 2018 die Dachorganisation der Deutschen Rentenversicherung mit der Ausarbeitung einer Richtlinie beauftragt, die zu einer gleichartigen Durchsetzung von Regelungen zur Bewilligung solcher tertiärpräventiven Leistungen bei allen (regionalen) Trägern der GRV beitragen soll (§ 14 Abs. 2 SGB VI). Im Kontext des Präventionsgesetzes sind die Träger der GRV nicht nur zur Teilnahme an der Entwicklung und Umsetzung einer nationalen Präventionsstrategie aufgerufen, sondern sollen auch darauf hinwirken, dass in diesem Kontext die Idee einer „berufsbezogenen Gesundheitsvorsorge“ ab dem 45. Jahr in Modellprojekten erbrobt wird (§ 14 Abs. 3 SGB VI).

Von besonderer Bedeutung für die leistungsbezogene Dynamik und gesundheitspolitischen Stärkung des Präventions- und Gesundheitsförderungsgedankens im deutschen Gesundheitssystem, welcher – wie an anderer Stelle erläutert – bislang ausgesprochen marginal ist, sind die expansiven Finanzierungsanforderungen des Präventionsgesetzes. Die primärpräventiven Leistungen (Setting-Ansatz, individueller Ansatz und betriebliche Gesundheitsförderung) sollen im Jahr 2016 insgesamt 7,00 Euro pro Versichertem betragen, was im Vergleich zum Jahr 2015 einer anvisierten Erhöhung der von den Krankenkassen bereitgestellten finanziellen Mittel für diese Art der Interventionen um knapp 56 Prozent (2015: 4,49 € pro Versichertem) entspricht. Doch das ist nicht alles, denn insgesamt sollen die Interventionen im Setting und der betrieblichen Gesundheitsförderung gestärkt werden, indem von diesen 7 Euro pro Versichertem jeweils 2 Euro pro Versichertem für jeweils eine dieser beiden Interventionsformen eingesetzt werden soll (§ 20 Abs. 6 SGB V). Dies wäre eine deutliche Erhöhung gegenüber dem Jahr 2015, in dem für Setting-Maßnahmen nur 0,54 Euro pro Versichertem (= 38 Mio Euro insgesamt) und für Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung immerhin noch 1,08 Euro pro Versichertem (= 76 Mio Euro) aufgewendet wurden (GKV-Spitzenverband 2016b). Inwieweit es gelingen kann, diese formalrechtliche Aufwertung settingbezogener und verhältnisbezogener Maßnahmen in Zukunft zu verankern, hängt wesentlich vom Erfolg der Implementierung der nationalen Präventionsstrategie, zu deren Konstitutionsbedingungen und Umsetzungsfragen wir uns jetzt hinwenden.

AUFBAU EINER BUNDESWEITEN UND MEHREBENEN-STRUKTUR DER KOORDINATION UND KOOPERATION

Neben diesen zahlreichen leistungsrechtlichen Änderungen besteht der Kern des Präventionsgesetzes 2016 jedoch in der Neustrukturierung der Koordination und Kooperation von präventiven und gesundheitsförderlichen Aktivitäten der verschiedenen Trägerorganisationen (§§ 20d-20g SGB V), die bereits ansatzweise bei der Darstellung der leistungsrechtlichen Modifikationen und Erweiterungen angeklungen ist, hier jedoch in systematischer Weise beschrieben werden soll. Institutionelle (Kosten-)Träger des Präventionsgesetzes sind die bereits vorstehend genannten Träger der wichtigsten Sozialversicherungszweige: (i) GKV, (ii) GUV, (iii) GRV und (iv) SPV, wobei optional auch die PKV noch teilnehmen kann (s. § 20e Abs. 1 SGB V). Im Folgenden geht es zunächst darum, das Verfahren zur Festlegung einer nationalen Präventionsstrategie darzustellen, wie es in 20d SGB V kodifiziert wurde. Bezüglich der Weiterentwicklung und Umsetzung der nationalen Präventionsstrategie ist zweitens zu klären, welche Rolle dabei den Akteuren (in) der Nationalen Präventionskonferenz (20e SGB V) zukommt. Drittens ist es zur Umsetzung der nationalen Präventionsstrategie unerlässlich, die Landesvereinbarungen zwischen den verschiedenen Kostenträgern von präventiven und gesundheitsförderlichen Interventionen im Sinne dieses Gesetzes zu beschreiben. In einem föderalistischen Bundesstaat mit zentralen gesundheitspolitischen Kompetenzen auf der Ebene der Bundesländer sowie einem korporatistisch geprägtem Gesundheitswesen können bundesstaatlich normierte Bedingungen einer nationalen Präventionsstrategie nur über eine bessere Koordination und Kooperation zwischen den verschiedenen Kostenträgern und regulativen Instanzen in institutionelle und versorgungsbezogene Realität umgesetzt werden (§ 20f SGB V).

Zentrales Gremium zur Entwicklung und Umsetzung der nationalen Präventionsstrategie ist die Nationale Präventionskonferenz (NPK). Die institutionellen (Kosten-)Träger des Präventionsgesetzes sind zugleich, konkretisiert in einer entsprechenden Arbeitsgemeinschaft, die Träger der nationalen Präventionskonferenz. Die nationale Präventionskonferenz hat am 26.10.2015 ihre konstituierende Sitzung abgehalten. Die Sitzanteile verteilen sich entsprechend den jeweiligen Trägerorganisationen der involierten Sozialversicherungszweige auf folgende Institutionen: (i) GKV-Spitzenverband = 2 Sitze; (ii) SPV-Spitzenverband (2 Sitze), (iii) DGUV (1 Sitz) und Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (1 Sitz) als Spitzenorganisationen der GUV und (iv) DRV Bund (2 Sitze). Neben diesen stimmberechtigten Mitgliedsorgansationen umfasst die nationale Präventionskonferenz noch einige beratende Mitglieder, zu denen neben dem kommunalen Spitzenverbänden auf Bundesebene (jeweils 1 Sitz, insgesamt: X Sitze), die Bundesagentur für Arbeit (1 Sitz), die repräsentativen Spitzenorganisationen der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber (1 Sitz) sowie der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (1 Sitz), die Vertretungen von Patientinnen und Patienten (2 Sitze) sowie des Präventionsforums (1 Sitz) insbesondere Bund und Länder mit jeweils 4 Sitzen gehören (§ 20e Abs. 1 SGB V). Das jährlich tagende Präventionsforum, welches die für Prävention und Gesundheitsförderung maßgeblichen Organisationen und Verbände umfasst, berät die nationale Präventionskonferenz (via ihrem dortigen Sitz) und wird von der Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung e.V. gemäß der Beautragung durch die BzgA durchgeführt. Die Geschäftsstelle der nationalen Präventionskonferenz ist beim BzgA angesiedelt und soll die Mitglieder der Nationalen Präventionskonferenz bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unterstützen (§20e Abs. 1 S. SGB V). Detailregelungen zum Ablauf der Entscheidungsprozesse und -verfahren sind in der (bislang nicht öffentlich zugänglichen) Geschäftsordnung der NPK niedergelegt.

Die zentrale Aufgabe der Nationalen Präventionskonferenz ist es, eine nationale Präventionsstrategie zu entwickeln, die aus drei Bausteinen besteht: erstens der Erstellung eines (trägerübergreifenden) Präventionsberichtes (alle 4 Jahre, erstmalig: 2019); zweitens der Entwicklung und Veröffentlichung von bundeseinheitlichen Rahmenpfehlungen zur Koordinierung Kooperation der verschiedenen Trägerorganisationen bzw. -körperschaften und drittens der Initiierung und Steuerung der Rahmenvereinbarungen zwischen den Trägerorganisationen auf Länderebene zur rechtswirksamen Umsetzung der nationalen Präventionsstrategie. Während der Präventionsbericht zur Reflexion und Evaluation erster Ergebnisse sowohl der anvisierten nationalen Präventionsstrategie als auch der hiermit verbundenen Koordinations- und Kooperationspraxis beitragen soll, muss die nationale Strategie zunächst einmal auf Bundes- und Landesebene rechtlich gerahmt werden, damit die jeweiligen (Kosten-)Träger und Anbieter von Präventions- und Gesundheitsförderungsleistungen sich auf dem damit bestellten Feld bewegen können. Ein erster Schritt wurde getan als die Bundesrahmenempfehlungen erstmalig am 19.02.2016 gemeinam von den Trägern der NPK und im Benehmen mit bedeutsamen Bundesministerien und allen 16 Ländern verabschiedet wurden, wobei zur Vorbereitung neben der Bundesagentur für Arbeit und der Spitzenverbände der kommunalen Grundsicherung für Arbeitssuchende auch die obersten Landesbehörden für den Arbeitsschutz und der Träger der öffentlichen Jugendhilfe angehört worden waren (§ 20d Abs. 3 SGB V; NPK-BRE 2016). Bei der Formulierung der nationalen Präventionsstrategie sind zudem sowohl die Empfehlungen bzw. Ziele der deutschen Arbeitsschutzstrategie als auch die empfohlenen Schutzimpfungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) berücksichtigt worden.

Die Bundesrahmenempfehlungen können auf bestehenden Kooperationsvereinbarungen zwischen verschiedenen (Kosten-)Trägern von Präventions- und Gesundheitsförderungsmaßnahmen aufbauen, die rechtlich weiter gültig sind und als Anlagen zur Bundesrahmenempfehlung abgedruckt sind (vgl. NPK-BRE 2016: Anlagen 1 bis 4). Die Bundesrahmenempfehlungen orientieren sich hinsichtlich der Umsetzung von Prävention und Gesundheitsförderung in ihren Grundsätzen an den sozialrechtlichen Zielsetzungen und in bereits vorhandenen Richtlinen und Leitfäden niedergelegten Qualitätsanforderungen sowie den grundsätzlichen leistungsrechtliche Abgrenzung der vier (Kosten-)Träger der NPK hinsichtlich präventiver und gesundheitsförderlicher Leistungen des Sozialgesetzbuches (vgl. NBK-BRE 2016: 5ff.). Darüber hinaus enthalten die Bundesrahmenempfehlungen jedoch auch eine spezifische Darstellung möglicher Leistungsinhalte der verschiedenen Trägerorganisationen bei der Ausgestaltung präventiver und gesundheitsförderlicher Maßnahmen. Diese Darstellung folgt einer systematischen Unterscheidung des Lebenslaufmodells, nach dem sich Präventions- und Gesundheitsförderungsinterventionen im Längsschnitt idealtypisch anhand drei Lebensstufen unterscheiden und anhand hiermit verbundenen besonderen Zielgruppen ordnen lassen: (i) ZIEL 1: Gesund aufwachsen; (ii) ZIEL 2: Gesund leben und arbeiten; (iii) ZIEL 3: Gesund im Alter.

„In dieser Zielsystematik können im Grundsatz alle Menschen mit lebensweltbezogenen Präventions-, Gesundheitsförderungs-, Sicherheits- bzw. Teilhabeangeboten erreicht werden. Da Menschen in der Regel mehrere Rollen einnehmen, bieten Lebenswelten komplementäre Zugangsmöglichkeiten – Beschäftigte sind bspw. gleichzeitig in der betrieblichen Gesundheitsförderung und ggf. als Eltern durch Aktivitäten in Kita und Schule erreichbar.“ (NBK-BRE 2016: 12)

Die ausgewiesenen Zielgruppen sind hier daher junge Familien, Kinder, Jugendliche, Auszubildende und Studierende, für die insbesondere die GKV und die GUV im Hinblick auf die Bereitstellung präventiver und gesundheitsförderlicher Leistungen zuständig ist und die sich daher – über die bisherigen Kooperationsvereinbarungen (NBK-BRE 2016: Anlage 1) hinausgehend – zukünftig in ihrem Agieren koordinieren müssen. Sie unterstützen dabei die Aufgaben von Ländern und Kommunen auf diesem Feld. Insbesondere sollen „zielbezogene ressortübergreifende kommunale Strategien der Gesundheitsförderung“ gefördert werden, um die Phasen des „Gesund aufwachsens“ besser mit Phasen des „Gesund lebens und arbeitens“ besser zu vernetzen, wobei auf Erfahrungen und Lerneffekte bereits bestehender Kooperationen (z.B. hinsichtlich der zahnmedizinischen Gruppenprophylaxe) zurückgegriffen werden kann (NBK-BRE 2016: 15; NBK-BRE 2016: Anlage 3). Eine tabellarische Übersicht zeigt neben der Zielgruppe und das jeweilige Handlungsfeld insbesondere die möglichen Beitrage der beteiligten Sozialversicherungsträger und der zu beteiligenden Organisationen und Einrichtungen (vgl. ebd.: 16).

Die Zielgruppen in der zweiten Lebensphase (Gesund leben und arbeiten) werden hinsichtlich der (heterogenen) Gruppe der Personen im erwerbsfähigen Alter einerseits und der (nicht weniger heterogenen) Gruppe der Arbeitslosen unterteilt. Auf dem Bereich der Versorgung der erwerbstätigen Bevölkerung mit präventiven und gesundheitsförderlichen Leistungen heben sich vor allem die GKV, die GUV und die GRV hervor (ebd.: 18ff.).  Die relevanten Handlungsfelder sind erstens die Prävention und betriebliche Gesundheitsförderung sowie die Unterstützung betrieblicher Maßnahmen zugunsten von Beschäftigen als Zielgruppe, wobei sich GKV und GUV über bereits bestehende Kooperationsvereinbarungen (NBK-BRE 2016: Anlage 1) in besonderer Weise koordinieren müssen. Dies gilt insbesondere auch für die Integration der Ziele der Nationalen Arbeitsschutzkonferenz und der deutschen Arbeitsschutzstrategie (NBK-BRE 2016: Anlage 4). Entsprechend sind auch gesundheitsrelevante Akteure auf der Unternehmens- und Betriebsebene mit in die jeweils konkrete Präventionsstrategie vor Ort einzubinden. Zweitens richtet sich die gemeinsame Tätigkeit der Trägerorganisationen in diesem Bereich auf besonders „bedürftige“ kleine und mittlere Unternehmen und deren Beschäftigte, die bislang nur schwierig zu erreichen waren. Organisationen, die eine stärkere Repräsentanz solcher Unternehmen und eine flächendeckende Implementierung von Präventions- und Gesundheitsförderungsmaßnahmen in der betrieblichen und unternehmerischen Realität des Wirtschaftsstandortes Deutschland unterstützen könnten und daher beteiligt werden sollten, sind neben Unternehmensorganisationen (im Rahmen der regionalen Koordinierungsstellen) auch interne Akteure des betrieblichen Arbeitsschutzes (wie z.B. Betriebsärzte und Fachkräfte für die Arbeitssicherheit)  sowie Gewerkschaften und die Arbeitsschutzbehörden der Länder (vgl. NBK-BRE 2016: 24f.).

Hinsichtlich der dringend erforderlichen Gesundheitsförderung von arbeitslosen Menschen ist eine Koordination der Tätigkeit von GKV und GUV mit Jobcentern, Arbeitsagenturen und Kommunen sowie ggf. Qualifizierungs- und Beschäftigungsträgern unerlässlich. Diese kann aufbauen auf der im Februar 2012 verabschiedeten Empfehlung zur Zusammenarbeit zwischen der Bundesagentur für Arbeit und der GKV zum Thema Arbeitslosigkeit und Gesundheit (NBK-BRE 2016: Anlage 2). Das Ziel der „gesundheitsfördernden und präventiven Aktiväten von gesetzlichen Krankenkassen ist es, gesundheitliche Einschränkungen von Arbeitslosen vorzubeugen bzw. sie zu minimieren und die Menschen darin zu unterstützen, ihre Gesundheit und Erwerbsfähigkeit zu erhalten und zu verbessern.“ (NBK-BRE 2016: 22) Hinsichtlich der Menschen in Maßnahmen der Arbeitsmarktförderung ist hingegen die GUV zuständig; ihre Ziele sind als analog zu bezeichnen. Ehrenamtlich tätige Menschen, die rein formal auch arbeitslose Menschen kategorisiert werden, bedürfen eines ähnlichen Schutzes, wobei hier ausschließlich die Gesetzliche Unfallversicherung verantwortlich ist.

Prävention und Gesundheitsförderung im Alter hingegen fällt nicht nur in den Bereich der GKV, sondern umfasst auch Maßnahmen der Sozialen Pflegeversicherung. Während sich die Maßnahmen der GKV in dieser Phase des Lebenszyklus vor allem auf ältere Menschen im Setting Kommune richtet, besteht daher insbesondere auch mit kommunalen Trägern bzw. Organisationen und Vereinen ein Bedarf nach beteiligender Koordination. Insbesondere Menschen mit sozialen Benachteiligungen sollen hier erreicht werden; aber auch die Vermeidung von Pflegebedürftigkeit ist eine zentrale Zielsetzung von Prävention und Gesundheitsförderung im Alter, was durch die organisatorische Identität der (Spitzen-)Trägerorganisationen von GKV und PKV erleichtert wird. Hinsichtlich pflegebedürftiger Personen ist es die Zielsetzung der Bundesrahmenvereinbarung, dass die Soziale Pflegeversicherung (SPV) über die Aspekte ‚aktivierender Pflege‘ im Prozess des Pflegens hinausgehend spezifische Präventionsleistungen und Gesundheitsförderungsmaßnahmen finanzieren. In der Folge des Präventionsgesetzes wurde ein Handlungsleitfaden Prävention für die SPV erarbeitet und im Sommer 2016 (GKV-Spitzenverband 2016a) veröffentlicht, analog schon zu dem bestehenden Leitfaden Prävention des GKV-Spitzverbandes (2014/2016).

Aufgrund der föderalen und korporatischen Struktur des deutschen Gesundheitswesens müssen diese Bundesrahmenempfehlungen in Landesrahmenempfehlungen umgesetzt werden. Diese bauen dabei zum einen auf der Bundesrahmenempfehlung auf (es wurde sogar eine Muster-Landesrahmenempfehlung erarbeitet; vgl. GKV-MDS 2016: 16), können aber auch länderspezifische Besonderheiten (besondere Gesundheitsziele, Zuständigkeiten, Koordination zwischen länderbezogenen bzw. kommunalen Akteuren und den vier Trägerorganisationen der NPK) enthalten (§ 20f SGB V). In der Landesrahmenvereinbarung werden folgende Fragen zu klären sein: (i) die Vereinbarung von gemeinsamen und einheitlich zu verfolgenden Zielen, (ii) die Koordinierung von Leistungen zwischen den Beteiligten, (iii) die einvernehmliche Klärung von Zuständigkeitsfragen, (iv) die Möglichkeit der gegenseitigen Beauftragung der Leistungsträger, (v) die Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst und den Trägern der örtlichen Jugendhilfe und (vi) die Mitwirkung weiterer für die Gesundheitsförderung und Prävention relevanter Einrichtungen und Organisationen. Zur Veranschaulichung dieser komplexen Implementationsstruktur sei hier zum einen ein Schaubild gezeigt, das dem jüngsten Präventionsberichtes des Spitzenverbandes der GKV und des Medizinischen Dienstes desselben (2016b: 12) entnommen ist. Zum anderen werden unten stehend exemplarisch die Landesrahmenempfehlungen der Länder Hessen und Rheinland-Pfalz mit den hier zusammengefassten Bundesrahmenempfehlungen verglichen, um die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Rahmenempfehlungen kenntlich zu machen.